Deutschlands Vergessene Orte Teil 1

Vergessenes Sanatorium

Chronologische Geschichte

 

Nutzung als Tuberkulose-Heilanstalt (1895 bis 1970)

1892 
Bau eines Privathauses auf dem Berg durch einen Goslarer Bürger, der kurz darauf stirbt.

1895 
Am 2. Mai wird in dem ehemaligen Privathaus das Genesungsheim  von der Landesversicherungsanstalt (LVA) Hannover durch Geheimrat Liebrecht (Leiter der LVA) als erste deutsche Heilstätte der deutschen Sozialversicherung gegründet. Zu diesem Zeitpunkt gab es in Deutschland bisher nur private Sanatorien und solche mit karikativen Kostenträgern.

um 1910 
Die Heilstätte kann bis zu 60 Personen aufnehmen, ausschließlich Männer. Bis etwa 1915 kommen weitere Gebäude (z.B. die Liegenhalle) sowie ein landwirtschaftlicher Anhang zur eigenen Viehhaltung (Kühe, Pferde und Schweine) hinzu.

ab ca. 1914 
Vermutlich werden während des ersten Weltkrieges lungenkranke Soldaten gepflegt.

ab ca. 1939 
Während des 2. Weltkrieges dient die Heilstätte als Lazarett für Soldaten mit kriegsbedingten Lungenverletzungen, möglicherweise auch als Übungslager (so zumindest die Bezeichnung auf einer zeitgenössischen Postkarte).

ab ca. 1948 
Umfangreiche Renovierungsarbeiten vor allem im Inneren der Gebäude, um den Kurablauf an modernere Auffassungen anzupassen. In den kommenden Jahren gleicht die Anlage eher einem Kurhotel als einer Krankeneinrichtung - samt kultureller Veranstaltungen, Filmvorführungen, Vorträgen, Gesellschaftsspielen und Gottesdiensten.

1957 
Die eigene Viehhaltung ist unrentabel und wird aufgegeben. Einige Viehweiden werden mit der Stadt Goslar gegen angrenzende Waldstücke getauscht. Eine Viehweide direkt am Gelände wird zu einem Park mit Minigolf-Anlage hergerichtet.

1968/1969 
Es gibt erste Gerüchte zur Schließung der Anlage, denen jedoch von offizieller Seite her widersprochen wird. Zu diesem Zeitpunkt beherbergt die Lungenheilanstalt 65 (ausschließlich männliche) Patienten.

1970 
Lange hat das Versprechen nicht gehalten - im Mai entschließt sich die Landesversicherungsanstalt, das Genesungsheim bis Ende des Jahres aufgrund der ständig sinkenden Zahl an Tuberkulosekranken zu schließen, da eine rationelle Ausnutzung der Heilanstalt nicht mehr möglich ist. Von den akut behandelten Patienten muss jedoch niemand verlegt werden, da bis zur Schließung die Kuren ohnehin abgelaufen sind.

1972 
Von Herbst 1972 bis Frühjahr 1973 ist vorübergehend das Berufsförderungswerk Goslar mit ca. 40 Umschülern in dem verlassenen Heim untergebracht, da die Bauarbeiten am neuen BFW-Gebäude in der Schützenallee nicht rechtzeitig abgeschlossen sind.

 

Nutzung als Heim für behinderte Kinder (1974 bis 1984)

Januar 1974 
Die Cornelius-Helferich-Stiftung erwirbt zum 1. Januar 1974 das Gelände und die Gebäude, um ein Behandlungs-, Rehabilitations- und Pflegeheim für geistig behinderte Kinder zu errichten. Bereits während der ersten Umbaumaßnahmen ziehen die ersten Kinder auf das Gelände, die von philippinischen Schwestern betreut werden. Angepeilt wird eine Kapazität von 80 bis 100 Kindern (die allerdings nie erreicht wird); geplant ist außerdem ein neues Schwesternwohnheim sowie die Einrichtung einer heimeigenen Sonderschule. Cornelius Helferich finanziert den gesamten Auf- und Ausbau dieses sowie weiterer Sanatorien aus seinem Privatvermögen. Die Unterbringungskosten werden weitgehend von überörtlichen Bundessozialhilfeträgern übernommen. Die Häuser sind angewiesen, kostendeckend zu arbeiten, müssen jedoch keine Gewinne erwirtschaften.

November 1976 
Im November brennt die Gymnastikhalle bis auf das verkohlte Gerippe der Konstruktion nieder. Zu Schaden kommt niemand, ein Übergriff der Flammen auf benachbarte Häuser kann die Feuerwehr verhindern.

November 1982
Die Kasseler Kriminalpolizei nimmt nach einer Anzeige niedersächsischer Behörden wegen Verdachts auf "Betrug zum Nachteil des niedersächsischen Landessozialamtes" erstmals Ermittlungen gegen die Helferich-Stiftung auf. Im Laufe der kommenden Monate ist Stiftungsführer Cornelius Helferich in mehrere Gerichtsverfahren verwickelt, die später wegen seiner andauernden Verhandlungsunfähigkeit allesamt eingestellt werden.

1983/1984
Das Heim bekommt eine moderne Strom- und Wasserversorgung sowie eine Anbindung des Abwassers an die Stadt Goslar.

August 1984 
Zum 30. September wird das Heim aufgrund nicht eingehaltener Auflagen des Landessozialamtes geschlossen. So habe die Aufsichtsbehörde wiederholt die baulichen Zustände kritisiert, ohne dass daran etwas geändert wurde, woraufhin die Genehmigung zum Betrieb des Heimes zurückgezogen wird. Im Vorfeld der angekündigten Schließung werden zahlreiche Stimmen von Angestellten laut, nach denen die Heimführung kein Interesse an der Rettung des Heimes gezeigt habe. Am 27. August werden die letzten Kinder in andere Heime gebracht.

 

Dornröschenschlaf und Verfall (1984 bis heute)

September 1984 
In der Nacht zum 8. September - zwei Wochen nach der Verlegung der letzten Kinder - brennt das Hauptgebäude, obwohl zu diesem Zeitpunkt ein Hausverwalter über das Gelände wacht. Das Feuer bricht im Treppenhaus aus; Brandbeschleuniger deuten auf Brandstiftung hin, die Täter werden jedoch bis heute nicht ermittelt. Der Schaden beläuft sich auf etwa 300.000 DM . Das Feuer und der spätere Einsturz des Gebäudes tragen dazu bei, dass der Bestandsschutz für das Sanatorium erlischt. Nach dem Brand lässt der Eigentümer Einrichtungsgegenstände, medizinisches Material und sogar Krankenakten zurück.

nach 1984
Die Stiftung beantragt eine Nutzungsänderung zu Wohnzwecken, was von der Stadt Goslar abgelehnt wird, ebenso wie Vorschläge zur Nutzung als Altenpflegeheim oder Behindertenwerkstatt. Begründung seitens der Stadt (bekräftigt durch eingeschaltete Gerichte): der gültige Flächennutzungsplan lässt nur eine weitere Nutzung als Sanatorium zu. Stadtbaurat Ernst-Detlef Kohl schließt auch eine Ausflugsgaststätte oder ein Hotel kategorisch aus (Quelle: Goslarsche Zeitung, 28. Mai 1992). In den folgenden Jahren blockieren sich Eigentümer und städtische Behörden mit unvereinbaren Rechtsauffassungen gegenseitig. Die Gebäude werden derweil (unter Beobachtung eines Hausverwalters) sich selbst überlassen und verfallen zusehends.

1992
Die Stadt Goslar lehnt ein Kaufangebot des Eigentümers ab, die Chance auf eine Nachnutzung scheint damit begraben. 

1993 
Der Landkreis Goslar muss rund ein halbes Dutzend Autowracks entfernen, die illegal auf dem Gelände entsorgt wurden.

August 1996 
Am 26. August 1996 kommt es zu einem Familiendrama, als der Hausmeister, der mit seiner Familie auf dem sonst verlassenen Gelände wohnt, damit droht, seine Familie umzubringen und sein Haus anzuzünden. 40 Polizeibeamte und ein Sondereinsatzkommando überwältigen den Familienvater, die Familie bleibt unverletzt 

Mai 1997 
Die Cornelius-Helferich-Stiftung gibt zum 1. Mai das Grundstück an die Magdeburger Firma PT Projekt-Team Verwaltungs GmbH im Tausch gegen ein Hotel in Magdeburg ab. Da eine erneute Nutzung als Sanatorium wie auch eine anderweitige Nutzung des Geländes zu diesem Zeitpunkt undenkbar erscheinen, bleibt laut Presse bei diesem Deal der Eindruck eines reinen Abschreibungsgeschäft zurück.

2003 
Die Familie des Hausverwalters verlässt das Pförtnerhaus. Mit dem Auszug erlischt das Wohnrecht auf dem Königsberg. Grundstück und Gebäude sind seitdem unbewacht.

2004 
Das "Harzer Panorama" macht auf die unhaltbaren Zustände auf dem Gelände aufmerksam. Unter anderem wird auf den noch nicht entleerten Heizöltank hingewiesen, der seit Jahren vor sich hinrostet. Im Zuge der Berichterstattung stellt sich heraus, dass das Unternehmen "Haus & Grund" als Vermarkter aktiv ist. Wolfgang Behr, Geschäftsführer des Unternehmens Behr & Partner, vermeldet als Grundstücks-Eigentümer erste Visionen von einem Sporthotel oder einer Ferienwohnanlage (Wolfgang Behr war/ist ebenfalls geschäftsführender Gesellschafter der PT Verwaltungs GmbH).

Januar 2007 
Behr & Partner bekräftigen ihr Vorhaben, zeitnah auf dem Gelände Ferienwohnungen errichten zu wollen. Der Wasserturm - möglicherweise auch die Liegehalle - sollen erhalten bleiben. 

Juni 2009 
Foto: Schenk/Goslarsche ZeitungIn der Nacht vom 24. auf den 25. Juni brennt das Haupthaus samt seiner Nebengebäude! Der Feuerwehr, mit 165 Mann vor Ort, bleibt nichts übrig, als das baufällige Ensemble kontrolliert niederbrennen zu lassen und am darauffolgendem Tag einzureißen. Von dem einst prächtigen Gebäude bleibt nur das Kellergeschoss samt Küche unter einem Schuttberg übrig. Die ermittelnde Staatsanwaltschaft geht von Brandstiftung aus, kann die Täter trotz DNA-Analysen aber nicht ausfindig machen. Die Ermittlungen werden Ende August eingestellt 

September 2009 
Der Eigntümer kündigt einen neuen Vorstoß zur Realisierung einer Ferienwohnanlage an. 32 Millionen, gefördert durch das Land Niedersachsen, sollen auf dem Königsberg investiert werden 

Dezember 2009 
Die touristischen Nachnutzungspläne des Eigentümers bekommen einen kräftigen Dämpfer, als die Harzwasserwerke das Tourismusprojekt in direkter Nähe zur Grane-Talsperre (Wasserschutzzone II) endgültig ablehnen. Wolfgang Behr hält zu diesem Zeitpunkt jedoch noch am Standort Königsberg fest 

August 2010 
Die Chance auf eine Nachnutzung ist vertan: laut regionaler Presse möchte der Eigentümer für seine Ferienwohnanlage auf den Kuttenbacher Teich in Hahnenklee ausweichen 

Oktober 2010 
Das Gelände wird fortan von Rettungshundestaffeln, THW und Feuerwehren als Trümmer-Übungsgelände genutzt.

Dezember 2012 
Der Investor Behr & Partner gibt die Besitzrechte an dem Gelände ab. Neuer Eigentümer ist damit das Land Niedersachsen, der Stadt Goslar obliegt die Sicherungspflicht.

April 2015 
Foto: Epping/Goslarsche ZeitungMitglieder des Rettungshundevereins entdecken am 7. April Rauchschwaden und alarmieren gegen 8.20 Uhr die Feuerwehr. Die Balkenkonstruktion sowie der Dachstuhl eines der noch vorhandenen Gebäude hatten Feuer gefangen. Die Feuerwehr bricht aufgrund der Einsturzgefahr die Löscharbeiten nach zwei Stunden ab, das Gebäude wird abgesperrt. Derzeit ist ungewiss, ob ein Abriss erfolgen wird. 

 

                http://www.koenigsberg-sanatorium.de







































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